Keine Anforderung an fristlose Kündigung bei Neueinstellungen

Ein Ar­beit­ge­ber muss re­gel­mä­ßig erst ein­mal ab­mah­nen, bevor er das Ar­beits­ver­hält­nis frist­los kün­di­gen kann entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in einem Urteil vom 03.06.2020 (1 Sa 72/20). Dies gelte ins­be­son­de­re, wenn der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer nur ein­mal un­ent­schul­digt ge­fehlt habe und zwar auch dann, wenn dies be­reits am drit­ten Ar­beits­tag pas­siert sei.

Der Be­klag­te hatte die Klä­ge­rin zum 01.08.2019 als Rechts­an­walts- und No­tar­fach­an­ge­stell­te ein­ge­stellt. Nach­dem sie am 01. und 02.08.2019 vor dem Wo­chen­en­de ge­ar­bei­tet hatte, blieb sie am 05. und am 06.08.2019 ver­ein­ba­rungs­ge­mäß zwecks Kin­der­gar­ten-Ein­ge­wöh­nung ihres Soh­nes der Ar­beit fern. Mit Schrei­ben vom 05.08.2019, der Klä­ge­rin vorab per Mail am sel­ben Tag und am 06.08.2019 im Ori­gi­nal zu­ge­gan­gen, kün­dig­te der Be­klag­te das Ar­beits­ver­hält­nis zum 12.08.2019. Am 07.08.2019 fehl­te die Klä­ge­rin un­ent­schul­digt. Für den 08. und 09.08.2019 lie­gen Ar­beits­un­fä­hig­keits­be­schei­ni­gun­gen vor. Mit E-Mail vom 08.08.2019 kün­dig­te der Be­klag­te das Ar­beits­ver­hält­nis frist­los. Die Kün­di­gung ging der Klä­ge­rin am 09.08.2019 schrift­lich zu.

Mit ihrer Kün­di­gungs­schutz­kla­ge wand­te sich die Klä­ge­rin schlie­ß­lich nur noch gegen die zwei­te, frist­lo­se Kün­di­gung und ver­lang­te die Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Kün­di­gungs­frist hin­sicht­lich der ers­ten Kün­di­gung. Der Be­klag­te hielt die frist­lo­se Kün­di­gung für wirk­sam. Die Klä­ge­rin habe ge­ra­de ein­mal zwei Tage ge­ar­bei­tet und dann un­ent­schul­digt ge­fehlt. Es han­de­le sich um ein “ge­schei­ter­tes Ar­beits­ver­hält­nis“. Hier sei eine Ab­mah­nung of­fen­sicht­lich ent­behr­lich ge­we­sen. Im Üb­ri­gen sei die Ab­kür­zung der Kün­di­gungs­frist in der Pro­be­zeit wirk­sam zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bart wor­den. Es ver­sto­ße gegen den Gleich­heits­satz, wenn eine Ab­kür­zung nur von Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, nicht aber von den Par­tei­en des Ar­beits­ver­trags ver­ein­bart wer­den könne. Das Ar­beits­ge­richt gab der Klage statt.

Das LAG hat die vor­in­stanz­li­che Ent­schei­dung be­stä­tigt. Die au­ßer­or­dent­li­che frist­lo­se Kün­di­gung sei un­wirk­sam, da es an einer vor­he­ri­gen Ab­mah­nung fehle. Es gebe keine An­halts­punk­te dafür, dass die Klä­ge­rin trotz Kün­di­gungs­an­dro­hung der Ar­beit wei­ter un­ent­schul­digt fern­ge­blie­ben wäre. Ihre Pflicht­ver­let­zung sei auch nicht der­ar­tig schwer­wie­gend, dass eine Ab­mah­nung aus­nahms­wei­se ent­behr­lich ge­we­sen wäre. Der Be­klag­te habe durch die Pro­be­zeit­kün­di­gung mit Wo­chen­frist ge­gen­über der Klä­ge­rin be­reits zum Aus­druck ge­bracht, an deren wei­te­rer Mit­ar­beit kein In­ter­es­se zu haben.

An­ders als der Be­klag­te meine, müsse er die zwei­wö­chi­ge ge­setz­li­che Kün­di­gungs­frist in der Pro­be­zeit ein­hal­ten. Die kür­ze­re Frist im Ar­beits­ver­trag sei un­wirk­sam. Es sei nicht gleich­heits­wid­rig, wenn le­dig­lich den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Mög­lich­keit der Ver­ein­ba­rung kür­ze­rer Kün­di­gungs­fris­ten zu­ste­he. Deren Ver­hand­lungs­pa­ri­tät führe zu einer an­ge­mes­se­nen Be­rück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen von Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern. Eine ver­gleich­ba­re Pa­ri­tät be­stehe zwi­schen den Par­tei­en des In­di­vi­du­al­ar­beits­ver­trags nicht.

Quelle: LAG Schleswig-Holstein

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