Heimatbasis bei Flugpersonal ist wichtiges Indiz für Gerichtsstand für arbeitsvertragliche Rechtsstreitigkeiten

Arbeitnehmer die Mitglied des Flugpersonals sind, können bei Rechtsstreitigkeiten über ihre Arbeitsverträge das Gericht des Ortes anrufen, von dem aus sie den wesentlichen Teil ihrer arbeitsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber ihrem Arbeitgeber erfüllen. Diesen Ort habe das nationale Gericht anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschied, das dabei der sog. Heimatbasis des Arbeitnehmers ein wichtiges Indiz darstellt (Urteil vom 14.09.2017, Az.: C-168/16 und C-169/16).

Ryanair und Crewlink sind in Irland ansässige Gesellschaften. Ryanair ist im Bereich der Personenbeförderung im internationalen Luftverkehr tätig. Crewlink ist auf die Einstellung und Schulung von Flugpersonal für Fluggesellschaften spezialisiert. Zwischen 2009 und 2011 wurden portugiesische, spanische und belgische Arbeitnehmer von Ryanair eingestellt und beschäftigt oder von Crewlink eingestellt und danach Ryanair als Kabinenpersonal (Stewardessen und Stewards) zur Verfügung gestellt.

Alle Arbeitsverträge waren in englischer Sprache abgefasst, unterlagen irischem Recht und enthielten eine Gerichtsstandsklausel zugunsten irischer Gerichte. Die Verträge sahen vor, dass die von den betroffenen Arbeitnehmern als Mitglieder des Kabinenpersonals erbrachten Arbeitsleistungen als in Irland erbracht anzusehen sind, da sie an Bord von Flugzeugen erbracht werden, die in Irland eingetragen sind. Allerdings wurde in den Verträgen der Flughafen Charleroi (Belgien) als „Heimatbasis“ („home base“) der Arbeitnehmer angegeben. Diese begannen und beendeten ihre Arbeitstage am Flughafen Charleroi und waren vertraglich verpflichtet, nicht weiter als eine Stunde von ihrer „Heimatbasis“ entfernt zu wohnen.

Sechs Arbeitnehmer von Crewlink und Ryanair erhoben im Jahr 2011 Klage bei den belgischen Gerichten, da sie der Auffassung waren, diese Gesellschaften seien verpflichtet, die belgischen Rechtsvorschriften einzuhalten und anzuwenden, und die belgischen Gerichte seien für die Klagen zuständig. Die Cour du travail de Mons (Arbeitsgerichtshof Mons, Belgien) hat im Rahmen der Prüfung ihrer Zuständigkeit den EuGH um Auslegung des in der Unionsverordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen enthaltenen Begriffs des „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit Kontext des Luftverkehrssektors ersucht und insbesondere werden kann.

In seinem Urteil erinnert der EuGH zunächst daran, dass bei Rechtsstreitigkeiten über Arbeitsverträge die schwächere Vertragspartei durch die Zuständigkeitsvorschriften der Union geschützt werden soll. Diese Vorschriften ermöglichen es dem Arbeitnehmer u. a., seinen Arbeitgeber vor dem Gericht zu verklagen, das ihm seiner Ansicht nach am nächsten steht, indem sie ihm die Befugnis einräumen, vor einem Gericht des Mitgliedstaats zu klagen, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

Weiter bestätigt der EuGH die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass den Arbeitnehmern eine Gerichtsstandsklausel, die vor der Entstehung der Rechtsstreitigkeiten vereinbart wurde und ihnen verbietet, die nach den einschlägigen Unionsvorschriften zuständigen Gerichte anzurufen, nicht entgegengehalten werden könne.

Für die Bestimmung des Begriffs des „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, verweist der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach damit der Ort gemeint ist, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt. Für die genaue Bestimmung dieses Ortes muss das nationale Gericht auf eine Reihe von Indizien abstellen.
Im Luftverkehrssektor ist u. a. zu ermitteln, in welchem Mitgliedstaat der Ort liegt, von dem aus der Arbeitnehmer seine Verkehrsdienste erbringt, an den er danach zurückkehrt, an dem er Anweisungen dazu erhält und seine Arbeit organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Außerdem ist dabei der Ort zu berücksichtigen, an dem die Flugzeuge stationiert sind, in denen die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird.

Da diese indiziengestützte Methode anzuwenden ist und außerdem die Verwirklichung von Umgehungsstrategien verhindert werden soll, kann der Begriff des „Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich sein Arbeit verrichtet“, mit keinem Begriff aus einem anderen Unionsrechtsakt, auch nicht mit dem der „Heimatbasis“ in einer die Zivilluftfahrt betreffenden Unionsverordnung, gleichgesetzt werden.

Trotzdem ist der Begriff „Heimatbasis“ unter den vorliegenden Umständen ein wichtiges Indiz für die Bestimmung des Ortes, von dem aus ein Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.

Die „Heimatbasis“ verlöre nur dann ihre Relevanz für die Bestimmung des „Ortes, von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“, wenn Klageanträge unter Berücksichtigung aller möglichen tatsächlichen Umstände des Falles eine engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als der „Heimatbasis“ aufwiesen.
Die Feststellung, dass der Begriff des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, mit keinem anderen Begriff gleichgesetzt werden kann, gilt auch in Bezug auf die „Staatszugehörigkeit“ von Flugzeugen. Daher ist der Mitgliedstaat, von dem aus ein Mitglied des bei einer Fluggesellschaft beschäftigten oder ihr zur Verfügung gestellten Flugpersonals gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, auch nicht mit dem Mitgliedstaat gleichzusetzen, dessen Staatszugehörigkeit die Flugzeuge dieser Fluggesellschaft haben.

Quelle: EuGH-Pressemitteilung 97/2017 vom 14.09.2017

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